Materialpass Photovoltaik

Nachhaltigkeit in der PV – Warum es einen Materialpass braucht

Der Materialpass dient als zentrales Instrument für Transparenz, Produktsicherheit und die zukunftssichere Wiederverwertung von Materialien – insbesondere im Bereich der Photovoltaik (PV).

Solarenergie ist von Natur aus eine nachhaltige Form der Energiegewinnung. Dennoch oder gerade deswegen ist es nötig, den Einsatz der bei ihrer Erzeugung verwendeten Ressourcen und alle zugehörigen Prozesse im Sinne der Nachhaltigkeit ganzheitlich zu optimieren. Im Rahmen nationaler und internationaler Nachhaltigkeitsbemühungen erhöht sich der Druck auf Hersteller, Importeure und Anlagenbetreiber durch verschiedene Regularien.

Bemühungen der EU, eine nachhaltige und ressourcenschonende Wirtschaft zu fördern sind beispielsweise:

Regelwerk

Beschreibung

Ecodesign for Sustainable Products Regulation (ESPR)

Die EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR) verpflichtet Hersteller, die Umweltauswirkungen von Produkten wie Photovoltaikmodulen über den gesamten Lebenszyklus zu minimieren. Ziel ist eine kreislauforientierte, CO₂-arme Produktion. Der Digitale Produktpass (DPP) wird dabei zur Pflicht: Er liefert transparente Informationen zu Materialien, Reparaturfähigkeit und Nachhaltigkeit – und unterstützt so bewusste Kaufentscheidungen.

Critical Raw Material (CRM)

Die CRM-Strategie der EU identifiziert Materialien, die für die Solarindustrie von strategischer Bedeutung sind, wie Silizium, Indium oder Silber. Diese Strategie zielt darauf ab, die Abhängigkeit von diesen Rohstoffen zu verringern, indem Recycling und nachhaltige Beschaffungspraktiken gefördert werden. Zudem wird die Entwicklung alternativer Materialien unterstützt, um die Versorgungssicherheit für die Photovoltaikindustrie zu gewährleisten. 

Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (REACH)

Die Chemikalienververordnung REACH verpflichtet Unternehmen zur Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe, um Gesundheit und Umwelt zu schützen. Besonders relevant für die Photovoltaikbranche sind Schadstoffe wie PFAS in BacksheetsBlei (Pb) in Loten und Antimon (Sb) im Glas. REACH fordert eine lückenlose Deklaration und Rückverfolgbarkeit – nicht nur bei der Herstellung, sondern auch während der Nutzung und im Recyclingprozess

 Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE)

Die WEEE-Richtlinie (2012/19/EU) bzw. das deutsche Elektrogesetz (ElektroG) regeln seit 2015 die Rücknahme und das Recycling von Photovoltaikmodulen. Hersteller sind verpflichtet, sich bei der Stiftung EAR zu registrieren, die Entsorgung zu finanzieren und Altgeräte zurückzunehmen. PV-Module gelten als Haushaltsgeräte und fallen unter die erweiterte Herstellerverantwortung. Das Recycling übernimmt PV Cycle, wobei bis zu 80 % der Materialien wiederverwertet werden können.

 

Regelwerke wie die EU-Richtlinie 92/75/EWG, die Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) und die Verordnung (EU) 2019/2021 gewinnen für Photovoltaikmodule zunehmend an Bedeutung. Sie definieren verbindliche Mindestanforderungen an EnergieertragZuverlässigkeitRecyclingfähigkeit und den CO₂-Fußabdruck. Eine zentrale Herausforderung bleibt die fehlende internationale Standardisierung bei der CO₂-Bilanzierung sowie die begrenzte Datenverfügbarkeit und -transparenz.

Qualität, Sicherheit & Recycling – Was ein Materialpass leisten muss

© Fraunhofer CSP
Der Materialpass ist nicht nur regulatorischer Pflichtnachweis, sondern der Schlüssel zu sicherem Produktdesign und effizientem Ressourcenmanagement.

Eine wichtige Datenbasis für zukünftige digitale Produktpässe von PV-Modulen und -Systemkomponenten ist daher der (digitale) Materialpass. Er liefert verlässliche Daten zu MaterialzusammensetzungZustand und Umweltauswirkungen von PV-Modulen. Neben der BOM-Prüfung ermöglicht er Aussagen zum Materialzustand (z. B. Polymervernetzung) und unterstützt QualitätssicherungRecyclingprozesse und nachhaltiges Design.

Ein gut dokumentierter Materialpass ist weit mehr als eine regulatorische Pflicht – er ist ein Schlüssel zu sicherem Produktsdesign, verlässlichem Qualitätsnachweis und effizientem Recycling.  

Der Materialpass – unser Serviceangebot

© Fraunhofer CSP
Bestandteile des Materialpasses

Wir bieten umfassende Unterstützung bei der Erstellung von Materialpässen auf Modulebene, einschließlich:

  • Modul- und Herstellerdaten (Label, Datenblatt, Datenbanken)
  • Materialanalysen (zerstörungsfrei & invasiv) an ganzen Modulen und Materialfragmenten (Glas, Polymere, Zellen)
  • Elektrische & Zuverlässigkeitstests (EL, PL, Flasher, DH, UV, PID etc.)
  • Vergleich von Ertrags-, Zuverlässigkeits- und Prognosedaten
  • Gezielte BOM-Tests zur Bewertung definierter Materialkombinationen

Anwendungsbeispiele

Das Forschungsprojekt Retrieve wird im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon Europe der Europäischen Union unter dem Förerkennzeichen 101122332 gefördert.
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Beispielergebnisse aus dem EU-Projekt RETRIEVE.

EU-Projekt Retrieve

Für das Recycling sind Informationen zu Materialzusammensetzung von PV-Modulen von großer Bedeutung, da neben Wertstoffen bzw. CRM (wie z.B. Silber) auch bestimmte kritische Materialien (wie z.B. Blei aus Metallisierung & Kontakten oder PFAS aus Backsheets) Einfluss auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit der verschiedenen Materialfraktionen haben

Im EU Projekt RETRIEVE haben wir verschiedene Materialfraktionen (Zellbruch, Glas, Polymere) detailliert analysiert und charakterisiert. Das Vorhandensein von PV-Materialpässen im Vorhinein würde die Verwertung effizienter und zielgerichteter gestalten, da sich beispielsweise sinnvolle Optionen zur Prozessoptimierung und/oder Vorsortierung für die Recycler ergeben könnten.

Im EU Projekt RETRIEVE haben wir Individuelle Methoden zur Bestimmung von Mischungs-Verhältnissen und/oder der chemischen Zusammensetzung (z.B. Ag-Gehalt in Zellfraktion oder Sb-Gehalt in Glas) entwickelt, die auch bei der Erstellung von Daten für einen individuellen Materialpass angewendet werden können.

R. Heidrich et al., Thermal Determination of the Ethylene Vinyl Acetate Copolymer (EVA) and Polyethylene Terephthalate (PET) Ratio in PV Module Waste, IEE Conference, 2025

 

Weitere Informationen